Anne-Elisabeth Gottrau (1607-1657)

Christus Gleichgestaltet

Anne-Elisabeth Gottrau erblickt als Aelteste von vier Geschwistern am 25. Dezember 1607 in Freiburg (i.Ue.) das Licht der Welt. Ihre Eltern, Jodoch und Elisabeth Gottrau-Reiff, gehören dem alteingesessenen Bürgerstand an. Beide sind sehr gläubig und erziehen ihre Kinder in der Liebe Gottes. Zehnjährig verliert sie ihren Vater. Die Mutter, finanziell gesichert, widmet sich ganz der Erziehung ihrer Kinder.

Anne-Elisabeth denkt schon früh daran, sich ganz Gott hinzugeben, obwohl mein lebhafter Geist sich sehr an weltlichen Dingen erfreute. Ihr Beichtvater, ein Jesuitenpater, führt sie behutsam. 1623 tritt sie, 16-jährig, mit dem Einverständnis ihrer Mutter, ins freiburgische Zisterzienserkloster Magerau (Maigrauge) ein. Das Kloster ist arm und hat seit einigen Jahren die strikte Klausur eingeführt.

Im folgenden Jahr begleitet sie, noch Postulantin, ihre Mutter auf eine Wallfahrt nach Besançon, wo das hl.Schweisstuch des Erlösers bei gewissen Jubiläen zur Verehrung ausgestellt wird. Während dieser Abwesenheit haben die Schwestern der Magerau jedoch beschlossen, sich der von Frankreich ausgehenden Reformbewegung anzuschliessen und wieder streng nach der Regel des hl.Benedikt zu leben, wie sie es gelobt hatten. Für Anne-Elisabeth ist die Rückkehr ins Kloster selbstverständlich, doch ihre Mutter fürchtet, die neu eingeführte Abstinenz, das viele Fasten und Wachen würden ihrer Gesundheit schaden. Aber Anne-Elisabeth kann sich durchsetzen und wird 1625 eingekleidet ohne spürbare Freude, mit grossem Widerwillen und Trockenheit, wie sie selber schreibt. Fast 3 Jahre lang dauert dieser trostlose Zustand, doch gegen Ende des Noviziatsjahres, nach einer Generalbeichte, erkannte ich mich selbstnicht wieder. Alles was mir vorher angenehm war, war mir jetzt zuwider, und alles was mir vorher schwer fiel, wurde mir zum Genuss. Ich hatte eine grosse Leichtigkeit, mich abzutöten und zu verzichten ... Ohne mich bemüht zu haben, hatte ich diesen Sieg geschenkt bekommen... Bei der darauffolgenden Kommunion schien ich unsern Herrn zu sehen und zu hören, doch nicht mit den Augen oder leiblich, sondern so geistig, dass ich es nicht erklären kann. Und Er gab mir ein anderes Herz, das auf der einen Seite mit allen Leidensmysterien und auf der andern mit dem Namen Jesu gezeichnet war. In der Mitte : ein Funken Seiner Liebe.

Sie erhält nun aussergewöhnliche Gnaden und gibt sich ganz hin. Ihre bisherige Trockenheit verwandelt sich in überströmende Freude. So gut sie kann, versucht sie dies zu verbergen, versteckt sich im Garten, um ihrer Freude durch Lachen Luft zu verschaffen. Allerdings kommt es auch vor, dass sie mitten im Noviziat in Extase fällt und nicht mehr ansprechbar ist. Wahrscheinlich liegt darin der Grund der Verehrung der einen und der Feindseligkeit einiger anderen Schwestern.

Damals erhielten auch Klosterfrauen nur an gewissen Festtagen die Erlaubnis zu kommunizieren, weshalb sie schreiben konnte: bei der zweiten Kommunion (als Novizin) wurden unsere beiden Willen eins und Gott zog mich ganz in sich ... ich hatte keinen Eigenwillen mehr, keine Wünsche ... alles war mir recht. Jede freie Zeit verbringt sie seither im stillen Gebet, bis zu 3 Stunden an Kommuniontagen.

Am 24. Mai 1627 darf sie endlich die Gelübde ablegen, nachdem sie ein Jahr lang zurückgestellt worden ist.

Das damalige Klosterleben war alles andere als leicht. Die Gebäude konnten nicht geheizt werden. In einem einzigen Saal wurde ein Feuer unterhalten, wo die Schwestern sich wärmen konnten. Zwei Mahlzeiten pro Tag mussten genügen und in gewissen liturgischen Zeiten, wie Advent und Fastenzeit, sogar nur eine. Dazu kam das nächtliche Chorgebet, nach welchem man sich nicht wieder hinlegte. All dies genügt der jungen Schwester nicht. Ihr inneres Feuer drängt sie zu noch grösserer Strenge, der ihr Körper aber nicht gewachsen ist. Ich habe sehr unter allen möglichen Unpässlichkeit und Gebrechen gelitten, sodass ich oft kaum gehen konnte. Später, wie sie schreibt, ging ich zu Gott nicht mehr mit so grossem Drang und Ungestüm, sondern in grosser Sanftmut, weshalb es mir körperlich besser ging.

1630 wird sie zur Subpriorin ernannt, was ihr die Feindschaft einiger Schwestern einträgt, die sich ungern einer so jungen Schwester unterordnen. Schon damals macht sie es sich zur Regel, jede Beleidigung hinzunehmen und sanft und geduldig zu reagieren. In der Meditation findet sie die Kraft dazu, und der Herr enthüllt ihr seine Geheimnisse. Wie ich auch meditiere, sei es dass ich mich geistig mit der Passion Jesu oder mit anderen Geheimnissen beschäftige, immer befinde ich mich in der Gegenwart der drei göttlichen Personen...Jesus gab mir den Schlüssel zum Schatz seiner Verdienste, für mich und meinen Nächsten...Ich fühlte mich dazu angehalten, um drei Gaben zu bitten, nämlich um eine grössere Glorie für die Seligen, um die Erlösung der Seelen aus dem Fegfeuer und um Hilfe für alle lebenden Menschen. 

Während der Meditation, nicht mit der Einbildungskraft, nicht mit den äusseren Augen, sondern im Geiste hat sich Gott mit mir vermählt. Oft fliessen Tränen, doch sie widersteht, wenn sie nicht allein ist.

Drei Jahre später wird sie Novizenmeisterin, obwohl sie oft so schwach war, dass sie kaum die Treppen steigen konnte, doch war sie sanft, voll innerer Stärke und Eifer. Die jungen Schwestern erhalten eine zärtliche und doch strenge Führung. Sie verehren sie und manchmal fürchten sie sie auch, weil die Meisterin allem Anschein nach in ihren Herzen lesen kann.

1641 wird sie von allen wichtigen Ämtern befreit, ausser dass sie die andern Schwestern ins Sprechzimmer begleiten muss, wie dies früher üblich war. Eine delikate Aufgabe, die viel Takt erfordert, ihr aber auch die Herzen vieler Besucher aus der Stadt gewinnt. Für sie selber ist dies eine Zeit grosser Gnaden. Endlich hat sie Musse für Gebet und Lesung. Sie verfasst eine Klosterchronik und weitere Schriften.

Nicht lange währt diese beschauliche Zeit. Der Herr will seine Braut sich gleichgestalten.

So wird sie 1643 zur Priorin ernannt, ein schweres Amt, denn die Äbtissin ist alt und gebrechlich und kaum mehr fähig, der grossen Gemeinschaft vorzustehen. Sanft und doch stark führt Mutter Anne-Elisabeth ihre Schwestern und zieht ihre Herzen zu Gott. Ihr Eifer ist nicht agressiv. Sie ist ganz Sanftmut, Geduld und Demut. Immer fröhlich und liebenswürdig, lässt sie ihre Fürsorge den Kleinen wie den Grossen angedeihen. In allem und überall bemüht sie sich um Frieden. Doch auch hier begegnete sie Eifersucht und Ungehorsam und hatte von gewissen Schwestern viel zu leiden, doch nie beklagte sie sich, vielmehr war sie ihnen eher zu Diensten und erwies ihnen grössere Freundlichkeiten als den andern ...

Doch sie bezahlt mit ihrer Gesundheit. Einen ganzen Winter lang liegt sie mit Fieber danieder und kann keine Nahrung mehr behalten. Doch wider Erwarten scheint sie die Krankheit zu überwinden und kann, obwohl leidend und schwach, der Gemeinschaft weiter Vorbild sein.

1654 stirbt Äbtissin Anne Techtermann und Mutter Anne-Elisabeth wird, obwohl immer leidend, als Nachfolgerin gewählt. Mit Eifer will sie die Reformbewegung ihrer beiden Vorgängerinnen weiterführen. Überall ist sie dabei, beim Chorgebet, der Arbeit, in der Erholungspause. Immer noch unterrichtet sie gregorianischen Gesang, Musik und Orgelspiel, wie sie es selber schon vor ihrem Klostereintritt gelernt hat. Für ihr persönliches Gebet hingegen bleibt ihr kaum mehr Zeit.

Sie erkrankt schwer. Essen und Trinken verursachen ihr unsägliche Schmerzen Immer öfters erbricht sie. Die Glieder schwellen unförmig auf. Ein Jahr vor ihren Tod beschliessen die Ärzte, Hände und Füsse einzuschneiden, um den Säften' einen Ausfluss zu verschaffen. Dann spritzen sie Quecksilber in die Narben, welches das kranke Fleisch" zerstören soll. Ohne Klagen lässt sie alles geschehen. Doch das Quecksilber verbreitet sich im ganzen Körper, der noch mehr aufschwillt, und sie wie verbrennt, so dass die Extremitäten nochmals inzisiert werden. Diese Wunden schliessen sich nicht mehr.

Was sie bisher in ihrem Herzen erstrebt hat, und was in der ersten überlieferten Vision durch das mit der Passion Christi gezeichnete Herz vorgebildet wurde, wird jetzt für alle sichtbar. Der Funke Seiner Liebe hat sie ganz erfasst. Alles hinnehmend, was der Bräutigam ihr schickt, darf sie durch Leiden Ihm gleichgestaltet werden.

1657 bringt leichte Besserungen, die sie dazu benützt, im Kapitelsaal zu Beginn der Fastenzeit eine kurze Ansprache zu halten, und noch einmal im Chor der Messe beizuwohnen, die sie jedoch zu ihrem Schmerz vorzeitig verlassen muss ohne kommuniziert zu haben. Ein weiterer Krankheitsherd wird offenbar, die linke Brust trägt eine grosse, krebsartige Wunde. Selber ermutigt sie den Chirurgen: fürchten Sie nichts, schneiden Sie, wenn Sie wollen, diese Brust weg. Ich bin Schmerzen gewohnt. Das ist nichts! Ihren Schwestern, die die Operation verhindern wollen, antwortet sie: meine Töchter, wisst ihr nicht, dass Jesu, schon tot war, als man ihm die Seite öffnete, und dass seine Menschheit den Schmerz dieser Wunde nicht fühlen konnte. Er hat ihn seinen Auserwählten überlassen. Denn gewisse Seelen sind dazu bestimmt, die Passion Jesu zu ehren... Ich freue mich, diesen Messerstich zu erhalten... denn St.Paulus sagt wir müssen Jesu Leiden ergänzen... (Kol. l, 24)

Nur Blut und Wasser flossen heraus.

Die fünf Wundmale, obwohl von Menschenhand verursacht, offenbaren nun allen ihre Christusähnlichkeit. Sie schliessen sich nicht mehr, ihre Schmerzen werden unerträglich.

Am 26. November 1657 hat sie ihren Kreuzweg für die universale Kirche vollendet.

Nach ihrem Tod findet man eine Briefkopie : ich bin sehr erstaunt und weiss nicht, was Gott von mir erwartet, wegen der grossen Erkenntnisse, die Gott mir von Seiner Gottheit und der Grösse des Gottmenschen und auch seiner hl.Mutter gibt. Dieses Wissen ist nicht wie jenes, das man durch Studieren oder Lesen erwirbt, sondern von einer Weise, die weder Engel noch Mensch lehren und noch weniger in diesem Leben erklären kann, sondern so wie man es, so Gott will, selber erfahren, aber nie und nimmer ausdrücken kann. Und doch hat sie verschiedene Abhandlungen über die Inkarnation, die Dreifaltigkeit, den hl.Namen Jesu geschrieben. Nur die letzte ist bis zu uns gekommen. Obwohl von der Obrigkeit zum Druck freigegeben, sind die Schriften in der damaligen wirren Zeit unterwegs verloren gegangen. Es bleiben aber verschiedene Abschriften von Betrachtungen, Gebeten und Andachten, die ihre grosse Verehrung für die drei göttlichen Personen, das hl.Altarsakrament, Engel und Heilige ausdrücken und ihre hohe Schau ahnen lassen.

Sr. Marie-Bernard Winklhofer gemäss den Manuskripten von Sr.Gertrude de Reynold